Angst, Widerstand - Wie Transpersonen unter Trump leben

Worldpride in Washington
© Franziska Spiecker/dpa

LQBTQI+

Washington (dpa) - Noch muss sich Elijah Nicholas nicht so viele Gedanken über seinen amerikanischen Reisepass machen. Das Dokument ist bis 2030 gültig. Doch wie es dann weitergeht, ist für den Transmann ungewiss. 

Nach aktuellem Stand würde der 55-Jährige dann keinen Pass mehr erhalten, in dem sein Geschlecht als männlich ausgewiesen ist. Denn in den USA werden nur noch Reisepässe mit einem Geschlechtseintrag ausgestellt, der mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt. 

Auch eine dritte Geschlechtsoption neben männlich und weiblich steht dort nicht mehr zur Verfügung. Das hat das US-Außenministerium vor ein paar Monaten verkündet - und damit eine Anordnung von US-Präsident Donald Trump umgesetzt, die zu seinen ersten Amtshandlungen zählte. 

Transmenschen und nicht-binäre Personen würden dadurch «delegitimiert», kritisiert Nicholas. Die Änderung bedeute für sie zudem ein Sicherheitsrisiko, wenn sie von einem Land in ein anderes reisten und nicht wüssten, was ihnen dabei bevorstehe. Transmenschen fühlen sich dem Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugeschrieben wurde, nicht zugehörig. Nicht-binäre Menschen ordnen sich nicht oder nur teilweise in die Kategorien Frau oder Mann ein. 

Forscherin: Anordnung löscht Geschlechtsidentität aus

«Diese Anordnung löscht im Wesentlichen die eigene Geschlechtsidentität aus», sagt Sharon Horne. Sie forscht an der University of Massachusetts Boston zur psychischen Gesundheit von LGBTQI+. Die englische Abkürzung steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transmenschen, queere sowie intergeschlechtliche Menschen – und das Pluszeichen ist ein Platzhalter für weitere Identitäten und Geschlechter.

Das Risiko für Transpersonen, etwa beim Passieren von Grenzen ins Visier zu geraten, diskriminiert oder bedroht zu werden, steigt Horne zufolge durch die neue Regelung. Sie warnt auch vor den Kosten für die psychische Gesundheit von Betroffenen, die unabsehbar seien. 

Mögliche Auswirkungen auf die mentale Gesundheit 

Eine Studie, die 2020 im Fachblatt «The Lancet Public Health» erschien, untersuchte den Zusammenhang zwischen dem in Ausweisen angegebenen Geschlecht und der psychischen Gesundheit von erwachsenen Transmenschen und nicht-binären Personen in den USA. Schwere psychische Belastung sowie Suizidgedanken und -pläne sind demnach weniger verbreitet unter Menschen, deren Identitätsdokumente ihren bevorzugten Namen und Geschlechtseintrag widerspiegeln, als unter Personen, bei denen das nicht der Fall ist. 

Die neue Regelung zu offiziellen Dokumenten ist allerdings auch nur ein Beispiel für das Vorgehen der US-Regierung gegen Transmenschen. Ein anderes ist deren Ausschluss aus dem US-Militär, den das US-Verteidigungsministerium aktuell vorantreibt. Trump unterzeichnete im Februar außerdem ein Dekret, dass Transmenschen vom Frauensport ausschließen soll, insbesondere an öffentlichen Schulen und Hochschulen. Bundesstaaten, die sich nicht daran halten, droht der Präsident mit dem Entzug von Bundesmitteln.

Wenn es politischen Druck gibt, ihre Rechte einzuschränken, berichten LGBTQI+-Menschen Horne zufolge vermehrt von Depressionen und Ängsten. Das gelte vor allem für jene Gruppen, die besonders stark von den Maßnahmen betroffen wären - wie zum Beispiel Transpersonen.

Worldpride in Zeiten von Angst und Unsicherheit

Viele LGBTQI+-Personen lebten in den USA gerade in einem «Raum der Angst und Unsicherheit», erzählt auch Nicholas. Ein Klima, das die US-Hauptstadt in diesem Jahr vor eine besondere Herausforderung stellt: Sie ist Gastgeberin des Worldpride-Fests und feiert zugleich den 50. Jahrestag der ersten Pride-Veranstaltung in Washington.

Schon seit Mitte Mai sind in der Stadt daher viele Regenbogensymbole zu sehen: Sie hängen als Flaggen an Laternen und in Schaufenstern, finden sich als Straßenbemalung neben Zebrastreifen und Radwegen und schmücken als Girlanden viele Außenbereiche der Restaurants. Doch was bedeutet es, in diesen Zeiten Pride zu feiern?

«Es bedeutet Widerstand», sagt Nicholas, ohne lange zu überlegen. Dieses Jahr würden zwei Dinge gleichzeitig passieren: Einerseits das Feiern und andererseits der Widerstand und das Sicherstellen, dass «wir einen Platz haben, dass wir gleiche Rechte bekommen».

Fest erreicht an diesem Wochenende Höhepunkt und Abschluss

Nicholas lebt eigentlich im US-Bundesstaat Georgia, er ist Schauspieler, Autor und Trans-Aktivist. Aktuell befindet er sich in Washington, weil er den Nationalen Marsch für die Sichtbarkeit von Transpersonen mitorganisiert. Die Partnerveranstaltung der Worldpride findet am letzten Tag des Festivals an diesem Sonntag statt. Einen Tag nach der bunten Worldpride-Parade, die an diesem Samstag durch belebte Straßen der Hauptstadt zieht. 

«Sicherheit ist unsere oberste Priorität beim Marsch», betont Nicholas. In Zusammenarbeit mit Worldpride arbeite sein Team sorgfältig daran, diese zu gewährleisten. 

Zuerst soll es eine eigene Kundgebung geben. Der Transmann erwartet dazu mehrere Tausend Personen aus dem ganzen Land. Dann soll gemeinsam zu einer zentralen Abschluss-Veranstaltung der Worldpride gelaufen werden, einem großen Freiheitsmarsch auf der National Mall. 

Mit Start am Lincoln Memorial soll der am Weißen Haus vorbei zum Kapitol führen. Nicholas‘ Erwartung daran ist so eindringlich wie existenziell: «Washington, D.C., und der Welt zeigen, dass man Transmenschen nicht auslöschen kann und wird.»

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Worldpride in Washington
„Trans Lives Matters“ - auf der National Mall vor dem Kapitol sind am ersten Tag der Worldpride verschiedene Banner zu sehen, auf denen die Rechte von Transpersonen eingefordert werden. © Franziska Spiecker/dpa
„Trans Lives Matters“ - auf der National Mall vor dem Kapitol sind am ersten Tag der Worldpride verschiedene Banner zu sehen, auf denen die Rechte von Transpersonen eingefordert werden.
© Franziska Spiecker/dpa
Worldpride in Washington
Elijah Nicholas organisiert den Nationalen Marsch zur Sichtbarkeit von Transpersonen mit, der am letzten Tag der Worldpride stattfindet. © Franziska Spiecker/dpa
Elijah Nicholas organisiert den Nationalen Marsch zur Sichtbarkeit von Transpersonen mit, der am letzten Tag der Worldpride stattfindet.
© Franziska Spiecker/dpa
Worldpride in Washington
Elijah Nicholas sieht in den von der US-Regierung durchgesetzten Änderungen bei Reisepässen ein Sicherheitsrisiko für Transpersonen. © Franziska Spiecker/dpa
Elijah Nicholas sieht in den von der US-Regierung durchgesetzten Änderungen bei Reisepässen ein Sicherheitsrisiko für Transpersonen.
© Franziska Spiecker/dpa
Worldpride in Washington
Viele Restaurants, Bars, Geschäfte und Vorgärten sind während der Worldpride mit Regenbogenflaggen dekoriert. © Franziska Spiecker/dpa
Viele Restaurants, Bars, Geschäfte und Vorgärten sind während der Worldpride mit Regenbogenflaggen dekoriert.
© Franziska Spiecker/dpa
Worldpride in Washington
Auch vor einige Kirchen in Washington ist Regenbogen-Dekoration zu sehen. © Franziska Spiecker/dpa
Auch vor einige Kirchen in Washington ist Regenbogen-Dekoration zu sehen.
© Franziska Spiecker/dpa

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