Debatte neu entfacht: Bekommt die Atomenergie eine zweite Chance?

Christian Lindner ist offen dafür, die BILD-Zeitung heizt die Stimmung an. Die Atomenergie soll in Deutschland weiter aktiv bleiben. Noch haben wir ja sechs Kernkraftwerke am Netz, doch für wie lange?

Ob die Atomenergie in Deutschland länger als geplant weiterläuft, darüber streiten sich gerade Expertinnen und Experten mit der Politik. Eigentlich ist der gesamte Weg - der Atomausstieg - geebnet und nicht einfach so umdrehbar. Die Gesetze sind unterschrieben und das gesamte Kapital ist eigentlich schon anderswo eingeplant. Die nötigen Brennelemente für die Kraftwerke müssten wir in Russland bestellen. Ein weiteres großes Problem bestünde ebenfalls: Es dauere wohl mehrere Jahrzehnte, bis wir ein neues Atomkraftwerk geplant und gebaut haben. Der frühere E.on-Chef Johannes Teyssen glaubt nicht mal im Traum an die Rückkehr der Kernkraft. "An einen Neubau in Deutschland glaubt niemand. Ich glaube auch nicht, dass die Fähigkeiten dafür vorhanden sind, weder in der Lieferindustrie noch in der Betreiber-Industrie. Und auch nach den Pirouetten, die Deutschland gefahren ist, wird auch in dieser Welt keiner bereit sein, in Deutschland, so etwas zu finanzieren." Man muss dazu sagen, dass Strom aus Kernenergie bei den Gesamtkosten auch unglaublich teuer ist, vor allem wegen der Risiken - siehe Fukushima. Das hat alles nur funktioniert, weil der Deutsche Staat gerade gestanden hätte bei einem Super-Gau. Außerdem ist da noch die ungelöste Endlager-Frage.

Wie lässt sich die Stromfrage klären?

Keine Kohle und keine Kernergie mehr, außerdem auch kein russisches Gas. Wie kann dieser Weg, den Deutschland geht, überhaupt funktionieren? Gleichzeitig steigen wir gerade auf Elektroautos um. Es gibt einen riesigen Strom-Mehrbedarf und das in sehr kurzer Zeit. Das ist eigentlich eine Aufgabe für viele Jahrzehnte. Nicht wenige halten den starken Ausbau der Eneuerbaren Energien für Blödsinn. Man könnte meinen, dass wir aktuell wie Geisterfahrer auf der Autobahn unterwegs sind, weil es alle anderen genau anders herummachen. Aber das Interesse an unserem Grünen Umbau ist gleichzeitig sehr stark. Heißt: Sollten wir es schaffen, ist Deutschland auch in einer guten Position, anderen den Weg zu zeigen.

Scheitern ist eigentlich keine wirklich Option

Auch wenn wir die angestrebten Ziele für die kommenden Jahre erst mal nicht erreichen, muss der Weg durchgesetzt werden. Wir werden viele Kilowattsunden teuren Atomstrom aus Frankreich kaufen müssen. Die Franzosen bauen weitere AKW und haben auch in Brüssel durchgesetzt, dass die Kernenergie als grün eingestuft wurde. So müssen wir dann wohl Lücken füllen bis wir es final geschafft haben. Deswegen den gesamten Plan schlechtzureden, hilft einfach nicht weiter. Der Anblick von Windrädern in unserer Umwelt muss akzeptiert werden. Denn wir werden noch einige von ihnen brauchen. Das hat Wissenschaftsjournalist Dirk Steffens berechnet. "Ein durchschnittliches AKW liefert vielleicht 1.200 Megawatt, rein rechnerisch entspricht das ungefähr 200 mittleren Windrädern." Es sind also ein paar bittere Pillen zu schlucken - auch in Form von hohen Strompreisen. Ziel ist es ja, dass sich diese Investitionen dann langfristig lohnen.

Autor: Michael Boom

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