Friedhof in Marl will das Leben feiern
Veröffentlicht: Donnerstag, 31.08.2023 15:44
Ein Friedhof ist für viele Menschen ein Ort der Trauer. Kein Ort, an dem das Leben gefeiert wird. Eigentlich, denn genau das hat sich der Evangelische Friedhof zum Ziel gesetzt.

Friedhofstag auf dem Evangelischen Friedhof Marl
Am 9. September feiert der Evangelische Friedhof in Marl den Friedhofstag. Unter dem bundesweiten Motto "In Gedenken - In Gedanken" kann der Friedhof entdeckt werden. Auf dem Programm stehen Führungen mit Infos zu den verschiedenen Pflanzen, die dort zu finden sind, zu der Entstehung und Geschichte des Ortes, dem Besuch des Trauerparcours und den verschiedenen Grabarten. Für Kinder ist eine Rallye geplant, bei der sie herausfinden, welche Tiere auf dem Friedhof leben: Dafür werden auf dem Friedhof entsprechende Stofftiere versteckt, die einen Brief umgebunden haben. Auf dem steht, warum sich die Tiere gerade auf einem Friedhof so wohl fühlen. Im Anschluss gibt es Waffeln und Grillwürstchen. Einen Tag später ist im Kolumbarium der Christuskirche ein Konzert geplant.
Trauer zum Anfassen: Evangelischer Friedhof in Marl hat einen Trauerparcours
In den vergangenen Jahren hat sich der zwei Hektar große Friedhof in Marl-Lenkerbeck immer weiterentwickelt. Und weil es eben nicht nur trostloser Ort sein soll, der einen traurig stimmt, hat man sich einiges überlegt. So gibt es zum Beispiel einen Trauerparcours, der die fünf Phasen der Trauer eines Menschen darstellt. Dort können sie nachempfunden und bewusst gemacht werden. Er bietet also die Möglichkeit, sich mit dem Thema vorbereitend auseinander zu setzen, oder aber die aktuelle Situation der persönlichen Trauer besser zu begreifen. Die fünf verschiedenen Phasen sind:
- Phase: Schock. Dargestellt ist ein Spiegelschacht, der eigentlich nur rund 15 Zentimeter tief ist. Durch verschiedene Spiegel wirkt es aber, als würde man in eine unendliche Tiefe blicken. Der Gedanke dahinter: Der Tod kann uns mitten im Leben plötzlich treffen. Wir fühlen uns, als würde uns der Boden unter den Füßen weggerissen werden, wir fallen in ein tiefes Loch.
- Phase: Wut. Ein 4,5 Tonnen schwerer Stein steht auf einem Fuß, sodass er sich drehen lässt. Nach der Lähmung durch den ersten Schock suchen wir oft Gründe und Schuldige für das schmerzhafte Geschehen. Wir werden wütend. Der Stein lässt sich mit unterschiedlichem Aufwand in Bewegung bringen. Man kann sich Zeit lassen und es Stück für Stück versuchen oder man lässt die Wut mit aller Kraft heraus. In beiden Fällen merkt man am Ende aber, dass es leichter wird.
- Phase: Unsicherheit. Ein Stück weiter auf dem Friedhof finden wir mehrere Balancierstrecken. Diese symbolisieren die Unsicherheit, die oft auf die Wut folgt. In unserer Trauer funktionieren wir zwar wieder, werden aber oft plötzlich und unfreiwillig zurück in die Trauer katapulitert. Wir merken in bestimmten Situationen, dass ein geliebter Mensch fehlt und fangen plötzlich wieder an zu weinen. Wir schwanken wie auf dem Rundholz, teilweise fällt es uns so schwer, dass wir uns wie auf einem Drahtseil fühlen. Die Geländer stehen für Menschen, die uns in dieser Zeit Halt geben, an die wir uns wenden können.
- Phase: Rückzug. Bei den vielen Aufgaben, die es zu bewältigen gibt tut es gut, sich zurückzuziehen. In der Stille geraten wir aber ins Grübeln. Ein Gang aus dunklen Steinen, der nach hinten schmaler wird und dann abbiegt, beschreibt das Gefühl, das Ende noch nicht zu sehen. Wir gewöhnen uns an die neue Situation, Wut, Trauer, Hoffnungslosigkeit und Verzweilfung begleiten uns aber weiterhin. Der Weg fühlt sich bedrückend und eng an.
- Phase: Akzeptanz. Nach der Kurve des dunklen Ganges werden die Steine an den Seitenwänden heller, wir sehen wortwörtlich ein Licht am Ende des Tunnels. Der Rosengarten des Friedhofs beschreibt das Ende der Trauerphase. Der Weg wird breiter, wir sehen wieder viele Möglichkeiten und unser Blick weitet sich auf die schönen Seiten des Lebens. Entspannung, Hoffnung, Akzeptanz und Ruhe sind die begleitenden Gefühle. Wir haben die schwierige Lebenssituation verarbeitet.

Hochbeet mit Gemüse auf dem Friedhof in Marl soll das Leben symbolisieren
Besonders spannend: Ein Hochbeet in Kreuzform. Das christliche Kreuz steht zwar für Trauer, die Bepflanzung aber für das Leben. Das Hochbeet wurde nicht mit Blumen bepflanzt, sondern mit Gemüse, welches jederzeit geerntet werden kann. Auch auf den Wiesen herrscht blühendes Leben: Es wurden Flächen mit Pflanzen extra für Bienen angelegt, alte Baumstämme werden als Lebensraum für Insekten drapiert. Grundsätzlich wird dort keine Chemie verwendet, nicht in Form von Gift und auch nicht in Form von Dünger. Trotzdem ist der Friedhof natürlich ordentlich und gepflegt. Er wirkt sehr gemütlich und einladend.