Kuriose Straßennamen im Kreis Recklinghausen
Veröffentlicht: Dienstag, 29.08.2023 11:29
Was hat die "Mausegatt" in Recklinghausen mit kleinen Nagern zu tun? Lebten im "Türkenort" in Datteln wirklich mal Einwanderer aus dem osmanischen Reich? Und was bitte gab einer Straße in Castrop-Rauxel den Namen "An der Fuckmühle"? Der Kreis Recklinghausen ist voll von spannenden, seltsamen und manchmal auch wirklich witzigen Straßennamen. Wir haben mit eurer Hilfe die interessantesten Namen aufgeklärt.

Straßennamen im Kreis Recklinghausen haben oft historische Bezüge
Straßennamen in Deutschland folgen oft bestimmten Mustern. Oft gibt es ganze Viertel mit thematisch einheitlichen Namen. Das dient der räumlichen Gliederung einer Ortschaft. Beispiele sind die "Dichterviertel", die es in vielen Städten gibt, zum Beispiel auch in Recklinghausen (Theodor-Fontane-Straße, Schillerstraße etc.). Auch nach Städten oder Regionen sind viele Straßen im Kreis Recklinghausen benannt, gern auch mit Bezug zu Partnerstädten (z.B. Schmalkalder Straße in Recklinghausen). Eine "Vogelsiedlung" mit Finken-, Meisen- und Sperlingsweg gibt es wohl so gut wie in jeder Stadt, ebenso wie nach Flora und Fauna benannte Straßen (Kiefernweg, Waldstraße).
Ein weiterer, häufig befolgter Grundsatz ist jener der Richtungsweisung. Die "Recklinghäuser Straße" ist oft schlicht die, die nach Recklinghausen führt - ebenso die Halterner, Dorstener, Weseler oder Schermbecker Straße. Auf dem jeweils anderen Stadtgebiet wechselt die Bezeichnung dann in die entgegengesetzte Richtung. Bedeutende Personen geben ebenfalls vielen Straßen im Kreis ihren Namen. Der Grundsatz dabei: je bedeutender der Mensch, desto bedeutender die Straße. Zudem muss der Name einer Straße "sozialverträglich" sein - es darf kein negatives Image der Bewohner entstehen.
Das steckt hinter den kuriosen Straßennamen im Kreis Recklinghausen
- Finefrau (Recklinghausen): Hinter diesem Namen, der eine kleine Straße in Recklinghausen schmückt, steckt echte Bergbaugeschichte. "Finefrau" war früher ein Kohleflöz. Es leitet sich von "feine Frau" ab und soll ausdrücken, dass es sich um ein besonders "üppiges Flöz" handelt.
- Mausegatt (Recklinghausen): Der "Mausegatt" liegt in unmittelbarer Nachbarschaft der Finefrau und hat eine ähnliche Bedeutung. Auch der "Mausegatt" war ein Flöz, allerdings ein deutlich Kleineres. "Gatt" ist niederdeutsch und bedeutet "Loch". Das Flöz erinnerte von der Größe also eher an ein Mauseloch. Übrigens: Die Flöze "Finefrau" und "Mausegatt" führten durch mehrere Ruhrgebietsstädte, deshalb gibt es diese Straßen auch mehrfach. In Castrop-Rauxel zum Beispiel liegen sie ebenfalls direkt nebeneinander.
- Onkensruh (Recklinghausen): Der Name geht zurück auf Heinrich Onken, ein ehemaliger Wegebaumeister aus Recklinghausen. Er war an der berühmte preußsischen Chaussee beteiligt, die von Bochum nach Münster führte. Ein Teil der Strecke führte von Recklinghausen nach Haltern. So eine Chaussee hatte damals im 19. Jahrhundert eine ähnliche Bedeutung wie heute die Autobahn.
- Blitzkuhlenstraße (Recklinghausen): Um diesen Namen ranken sich viele, unheimliche Sagen und Mythen. Eine Legende besagt, dass die Blitzkuhle früher ein großes, kreisrundes Loch war mit einer Insel in der Mitte, auf der ein grausamer Schlossherr von einem Blitz getroffen und getötet wurde. Eine andere Geschichte besagt, dass , dort ein gräulicher Drache wohnte. Jeden Menschen, den er fassen konnte, würgte er und verschlang ihn mit Haut und Haaren, dass nicht einmal die Seele übrig blieb. Je mehr Menschen er fraß, desto mehr Seelen häuften sich in seinem Buckel an, der immer dicker und hässlicher wurde. Mehr dazu findet ihr hier: Die Sage von der Blitzkuhle
- Krüppeleiche (Recklinghausen): Diese Straße in Recklinghausen wurde so genannt, weil dort Bäume wuchsen, die nicht unbedingt vor Schönheit glänzten. Die Eichen waren von besonders knorrigem Wuchs - bedingt durch ihre schlechte Lage und den äußeren Einflüssen wie zum Beispiel Wind.
- Verlorener Sohn (Dorsten): Zwischen Hervest und Wulfen liegt sehr abgelegen der "Verlorene Sohn". Die geografische Lage in Dorsten war möglicherweise auch der Grund, warum man diese Straße so genannt hat. "Das Grundstück war im Grunde verloren", sagte uns Heinrich Poll vom Dorstener Heimatverein. In Dorsten erzählt man sich aber seit Jahr und Tag noch eine andere Geschichte: Demnach sollen dort Vater und Sohn alleine auf einem Hof gewohnt haben. Der Sohn zog in den Krieg und ist dort gefallen. Der Vater hatte niemanden, an den er das Grundstück erben konnte, weshalb es an die Stadt ging. Die nannte es "Verlorener Sohn". Beweise, dass es sich so zugetragen hat, gibt es allerdings nicht.
- In der Ewigkeit (Dorsten): Auch hier soll die geografische Lage ausschlaggebend für die Namensgebung der Straße gewesen sein. Das Grundstück lag in Dorsten damals so weit entfernt vom nächsten Bauernhof, dass man eine Ewigkeit brauchte, um dorthin zu kommen.

- An der Tränke (Marl): Diese Straße in Marl-Sickingmühle erinnert an einen früheren Weg, über den die Bewohner der Gemeinde ihr Vieh zur Tränke treiben konnten.
- Nonnenbusch (Marl): Vor einigen hundert Jahren befand sich dort im Stadtteil Marl-Lenkerbeck ein Hof, der durch seinen Bezug zur Kirche umgangssprachlich "Klosterjuffernhof" (Klosterjungfernbusch) genannt wurde. Ab etwa 1800 tauchte in den Akten dann zum ersten Mal der Name "Nonnebusch" auf.
- Über den Knöchel (Herten): Fast jeder in Herten kennt diese Straße - doch kaum jemand weiß, warum sie so heißt. Bei unserer Recherche konnte uns selbst die Stadt Herten nicht auf Anhieb weiterhelfen. Matthias Pothmann - Historiker aus Marl - klärte uns schließlich auf. Er schrieb uns: „Knöchel“ kommt aus dem Mittelhochdeutschen und bedeutet soviel wie „Bergkuppe“ (Bergknöchel). Der Name leitet sich also davon ab, dass der Weg früher über einen Berg führte -. im Gegensatz zum nahen Backumer Tal.
- Am Pösken (Herten): Früher war das der Weg zu einer großen Wiese, auf der das Osterfeuer entfacht worden ist. Vor dem Osterfeuer brachten die Kinder freudestrahlend und singend Palmzweige zur Vorbereitung des Palmsonntags in Herten. Eine Zeile aus den Liedern ist noch bekannt, sie lautet: "Palm, Palm, Pösken". Wofür der Begriff "Pösken" steht, ist aber leider nicht mehr überliefert.

- Türkenort (Datteln): Es ist wohl der kurioseste Straßenname im Kreis Recklinghausen - und er hat rein gar nichts mit der Türkei oder den Menschen aus dem Land zu tun. Vor mehreren hundert Jahren war die Straße in Datteln noch viel schmaler und es standen sehr viele kleine Häuser dort - mit kleinen Türen. Das war zu einer Zeit, als bei uns in der Region noch Plattdeutsch gesprochen wurde. Und dort heißt "Türken" nichts anderes als "Türchen" - also "kleine Tür". In den Häusern haben überwiegend ärmere Menschen gewohnt.
- Unterlippe / Oberlippe (Waltrop): Die Namen dieser beiden Straßen in Waltrop bezieht sich schlicht auf die Lage zum Fluss "Lippe", der in unmittelbarer Nachbarschaft fließt und hat also nichts mit der Unter- und Oberlippe im Gesicht zu tun. In der Nähe passierte übrigens mal eins der schlimmsten Verbrechen in der Geschichte des Ruhrgebiets: Am 14. Juni 2000 erschoss der 31-Jährige Neonazi Michael Berger zwei Polizisten an der Kreuzung Borker Straße / Unterlipper Straße / Oberlipper Straße. Vorher erschoss er bereits einen Polizisten in Dortmund. Diese Tat ging unter dem Namen Polizistenmorde von Dortmund und Waltrop in die Geschichte ein.
- Gantepoth (Haltern): Hier treffen zwei Dialekte aufeinander: Plattdeutsch (Gant = Gänserich, männliche Gans) und Niederhochdeutsch (Poth = Tümpel). An dieser Stelle in Haltern am See befand sich also früher schlichtweg ein Gänsetümpel.
- In de Flaslänne (Marl): Der Name ist laut Marler Bürgerstiftung eine mundartliche Abwandlung und kann mit „In den Flachsländern“ übersetzt werden. So heißt es auf der Homepage der Stiftung: "Flachs, eigentlich „Gemeiner Lein“, ist eine Kulturpflanze, die hierzulande vor allem für die Textilproduktion angebaut und genutzt wurde. Vom Mittelalter bis zur Frühen Neuzeit wurde Flachs besonders in Westfalen auf Feldern angebaut und meist auf nahen Bauernhöfen direkt verarbeitet."

- An der Fuckmühle (Castrop-Rauxel): Warum trägt diese kleine Straße im Stadtteil Castrop-Rauxel-Dingen einen so vulgären Namen? Nein, er hat nichts mit dem englischen Wort "Fuck" zu tun. Es kommt aus dem mittelhochdeutschen bzw. germanischen und hat zwei verschiedene Bedeutungen. Entweder: Klopfen oder aus dem Rheinischen: Faul. An der Stelle steht eine alte Getreidemühle, die früher vom Deininghauser Bach angetrieben wurde. Denkbar wäre also, dass sie damals für ihre Klopfgeräusche oder für ihren schlechten Zustand bekannt war. Eine weitere, mögliche Erklärung: Der Name ist abgeleitet von "Muckefuck", was so viel bedeutet wie: schlechter Kaffee. War hier also früher um eine Kaffeemühle, die ungenießbaren Kaffee produziert hat?
- Dicke Bank / Dünne Bank (Castrop-Rauxel): Dieser Name geht auf die Bergbaugeschichte der Stadt Castrop-Rauxel zurück. "Dicke Bank" und "Dünne Bank" waren zwei Kohleflöze. Das eine etwas dicker, das andere etwas dünner. Als Bank bezeichnete man im Bergbau einen unterirdischen Bereich mit festem Material - also Steinkohle oder Sandstein.
- In der Wanne (Castrop-Rauxel): Die Straße verläuft parallel zur Emscher in Castrop-Rauxel. Dort befindet sich eine Senke, in die das Wasser läuft, wenn der Fluss überläuft - ähnlich einer Badewanne.
- Krikedillweg (Oer-Erkenschwick): Was klingt wie eine Abwandlung von "Krokodil" hat in Wahrheit etwas mit der Vogelwelt und Wasser zu tun. Krike heißt soviel wie "Vogelvieh", das sich an diesem Ort in Oer-Erkenschwick früher in einer Senke voll Wasser gesammelt hat. Das keltische Wort für Senke lautet: "Dill".
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