Schwere Vorwürfe nach tödlichem Zugunglück in Recklinghausen

Mehr als ein Jahr nach dem tödlichen Zugunglück in Recklinghausen schlägt der Fall plötzlich wieder hohe Wellen: Die Recklinghäuser Zeitung berichtet nach intensiven Recherchen von "katastrophalen Fehlern" beim Rettungsdienst. Der eingesetzte Notarzt hat laut RZ eine Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht.

© 7aktuell.de | Marc Gruber

Sind die Kinder erst anderthalb Stunden nach dem Notruf gefunden worden?

2. Februar 2023: In Recklinghausen erfasst ein Güterzug um kurz nach 18 Uhr zwei Kinder, die sich an den Gleisen zwischen dem Hauptbahnhof und dem Ostbahnhof aufhalten. Ein 10-jähriger Junge stirbt, ein weiteres Kind überlebt schwer verletzt. Neue Recherchen der Recklinghäuser Zeitung haben jetzt ergeben, dass bei dem anschließenden Rettungseinsatz möglicherweise schwerwiegende Fehler gemacht worden sind. Demnach seien die Kinder erst anderthalb Stunden nach dem abgesetzten Notruf gefunden worden – offenbar durch Zufall. Laut dem Bericht hatte ein Rettungssanitäter ein Handy entdeckt, das vorne auf der Schürze des Zuges gelegen haben soll. Da es niemandem der anwesenden Personen gehörte, wurde die Strecke zwischen den beiden Bahnhöfen genauer abgesucht. Schließlich entdeckten die Sanitäter die beiden Kinder neben dem Zug. Zu dem Zeitpunkt sollen sie dort nach Recherchen von RZ-Redakteur Ulrich Breulmann schon anderthalb Stunden gelegen haben.

Recklinghäuser Zeitung: Notarzt hat Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht

Wie die Recklinghäuser Zeitung berichtet, hat der diensthabende Notarzt bei der Bezirksregierung Münster eine Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht. Sie richtet sich an den Chef der Feuerwehr Recklinghausen, den Ärztlichen Leiter des Rettungsdienstes im Kreis Recklinghausen und den Ersten Beigeordneten der Stadt Recklinghausen. Keine ausreichende Anzahl von Rettungskräften, eine fehlende Ausleuchtung der Rettungsstelle, Verzögerungen und Verwirrungen sind nur einige der Vorwürfe, die laut RZ in dieser Beschwerde zur Sprache kommen sollen. Vor allem die Zeit zwischen dem Notruf und dem Auffinden der Kinder kommt immer wieder zur Sprache. Wörtlich heißt es laut Recklinghäuser Zeitung in der Dienstaufsichtsbeschwerde:

„Durch eine regelhafte Einsatzführung mit schnellerem Auffinden der Kinder wären die starken Schmerzen, die schwere Atemnot und die Todesangst des überlebenden Jungen nicht so lange unbehandelt geblieben und die gesundheitlichen Folgeschäden möglicherweise glimpflicher verlaufen. Womöglich hätte sogar der Tod des anderen Kindes vermieden werden können. Und selbst wenn nach pathologischem Befund aufgrund der Schwere der Verletzungen der tödliche Verlauf unvermeidbar war, so ist der ethische Aspekt nicht außer Acht zu lassen.“
Die Feuerwehr Recklinghausen rückte mit einer Drehleiter an, um die Gleise nach Personen abzusuchen. © 7aktuell.de | Marc Gruber
Die Feuerwehr Recklinghausen rückte mit einer Drehleiter an, um die Gleise nach Personen abzusuchen.
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Letztes Wort scheint noch nicht gesprochen worden zu sein

Parallel dazu hatte auch der Vater des überlebenden Jungen schon vor längerer Zeit Strafanzeige gestellt. Das Verfahren wurde jedoch von der Staatsanwaltschaft eingestellt, mit der Begründung, dass man nicht zweifelsfrei habe feststellen können, dass ein schnelleres Auffinden des Jungen dafür gesorgt hätte, dass Schmerzen vermieden worden wären oder eine bessere medizinische Behandlung ermöglicht hätte. Auch die Kreispolizei bestätigte Radio Vest auf Anfrage, dass die Ermittlungen zu dem Fall abgeschlossen seien. „Es habe sich um ein tragisches Unglück gehandelt“, sagte uns ein Sprecher. Das letzte Wort scheint in dem Fall aber noch nicht gesprochen worden zu sein. Gegen die Einstellung des Verfahrens hat der Marler Rechtsanwalt Hans Reinhardt Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft eingelegt. Journalist Ulrich Breulmann kündigte bezüglich seiner Recherchen außerdem einen weiteren Artikel in der RZ an. 

NRW-Innenminister Reul und Recklinghausens Bürgermeister Tesche hatten sich damals noch am Abend des Unglücks ein Bild von der Lage vor Ort gemacht. © 7aktuell.de | Marc Gruber
NRW-Innenminister Reul und Recklinghausens Bürgermeister Tesche hatten sich damals noch am Abend des Unglücks ein Bild von der Lage vor Ort gemacht.
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