Unsere Zukunft - Leben mit dem Klimawandel: Der Arzt

Wir alle sind schon jetzt mehr oder weniger vom Klimawandel betroffen. Wie sieht die Zukunft aus? Auf was müssen wir uns einrichten und wie gehen verschiedene Menschen in ihrem Beruf mit dem Klimawandel um? Wir stellen sie und ihre Lösungen vor in unserer Serie: "Unsere Zukunft - Leben mit dem Klimawandel"


Studien: Klimawandel könnte für mehr Allergien sorgen

"Wenn wir nichts tun, wird sich der Gesundheitszustand verschlechtern. Bis zum Überschreiten von Anpassungsgrenzen mit katastrophalen Folgen."

Dr. Ralph Krolewski ist seit mehr als 35 Jahren Hausarzt. Er ist verantwortlich für mehr als 5.000 Patientinnen und Patienten in seiner Region rund um Gummersbach. Das Thema Klimawandel bereitet ihm schon seit einigen Jahren Sorgen, denn die Folgen, die eine immer wärmer werdende Welt auf unsere Gesundheit haben wird, sind enorm, sagt der Arzt. Die ersten Auswirkungen zeigen sich schon jetzt. 

"Viele Patienten bringen ihre Beschwerden gar nicht mit dem Klimawandel in Zusammenhang. Bei Allergien zum Beispiel - die nehmen zu. Das berichten auch meine Kollegen."

Die ersten Beschwerden treten häufig schon im Februar auf. Als junger Arzt musste er häufig erst Ende März Patientinnen und Patienten mit diesen Symptomatik behandeln. Das hat zur Folge, dass die Behandlung ggfs. intensiviert werden muss und die Phasen, in denen der Körper ganz ohne Medikamente auskommt, schon jetzt immer kürzer werden. Außerdem produzieren die Bäume und Gräser schon jetzt mehr Pollen, was dazu führen kann, dass Menschen, die vorher nie Probleme hatten, auf einmal ein allergiebedingtes Asthma entwickeln. Oder allergisch auf neue Pollenarten reagieren, die sich aus südlicheren Gebieten zu uns nach oben ausbreiten. 

"Aktuell haben 22 Prozent der Kinder in Schulen Asthmaerkrankungen [...] Bis 2050 werden bis zu 50 Prozent der schulpflichtigen Kinder Asthmaleiden haben."

So stellt auch der Allergieinformationsdienst fest: Insgesamt weisen Daten einer Reihe von Studien darauf hin, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und einer weltweit beobachteten Zunahme von allergischen Atemwegserkrankungen gibt. Ein weiterer Anstieg sowie ein zunehmender Schweregrad der Erkrankungen sei zu erwarten.

Mehr Hitzewellen machen Medizinern Sorgen

Auch die immer häufiger auftretenden Hitzewellen bereiten dem Arzt Sorgen. Kleinkinder im ersten Lebensjahr können zum Beispiel ihre Körpertemperatur noch nicht von alleine regulieren. Ihnen droht, neben anderen Risikogruppen, der Hitzschlag. Eine absolut lebensbedrohliche Notsituation.

"Ihr Körper kommt schon in einen maximalen Stress ab 32 Grad gefühlte Temperatur. Wir reden hier von einer extremen Wärmebelastung von jenseits von 38 Grad gefühlter Temperatur."

Krolewski rechnet damit, dass er in Zukunft mehr Menschen aufgrund von Hitze behandeln muss und hat seit 2019 erste Maßnahmen in seiner Praxis umgesetzt. Er hat Messgeräte installiert, mit denen nicht nur die Raumtemperatur, sondern auch die gefühlte Temperatur gemessen werden kann. Er hat zwei Klimageräte angeschafft, um im Notfall Patientinnen und Patienten in eine kühlere Umgebung bringen zu können. Und er hat eine Wassersprühanlage im Außenbereich installiert.

"Das ist ein dünner Schlauch über 26 Meter, wo dann Wasserdampf runternieselt und sofort die Haut befeuchtet und kühlt."

Außerdem verlagert er seine Sprechstunde für vulnerable Gruppen in den Abend. So sensibel sei er vor vier Jahren in seiner Praxis mit dem Thema Hitze nicht umgegangen, sagt der Arzt und gibt zu bedenken: 

Wie sieht es in Altenheimen aus? Auf Neugeborenen-Stationen in Kliniken, die mitten in den Hitze-Hotspots der Städte liegen? 

"Man muss die Verantwortlichen dafür sensibilisieren - ihnen das Gefahrenpotenzial aufzeigen."

Ärzte bereiten sich auf die medizinischen Folgen des Klimawandels vor

Fortbildungen für Hausärzte gibt es bereits, das Thema Klimawandel und Gesundheit wird inzwischen auf Kongressen behandelt. 

Ärzte sollen vorbereitet werden auf die Folgen, die der Klimawandel mit sich bringt. Wenn zum Beispiel vermehrt Patientinnen und Patienten nach einem Badetag im Hitzesommer mit Lungenproblemen in die Praxis kommen. Denn in unseren immer wärmeren Gewässern fühlen sich bestimmte Bakterien zunehmend wohl.

"Blaualgen, Cyanobakterien, Legionellen … alles gefährliche Bakterien. [...] Wenn die Leute dann beim Spaziergang an einem Stauweiher legionellen belastete Aerosole einatmen, dann können sie eine [...] Pneumonie entwickelt. Die verläuft zu acht Prozent tödlich."

Leben mit dem Klimawandel: Der Arzt

Vom Insekten übertragene Krankheiten werden zur Gefahr

Neben Bakterien stellen auch Viren eine Gefahr für die menschliche Gesundheit dar. Zum Beispiel wenn neue Stechmückenarten diese von Mensch zu Mensch übertragen können. Die Asiatische Tigermücke ist ein solches Exemplar. Sie hat das Potenzial, Krankheiten zu übertragen, und kommt in den Niederlanden schon flächendeckend vor. Auch bei uns in NRW sind erste Exemplare entdeckt worden. Zum Beispiel am Niederrhein. Somit steigt die Gefahr auf Krankheiten wie das Denguefieber. Auch erste Fälle des West-Nil-Fiebers gab es schon in Ostdeutschland, berichtet der Arzt. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis erste Fälle, übertragen durch Mücken, auch bei uns in NRW auftreten.

"Dann müssen wir in allen Wohnsiedlungen alle offenen Tümpel und Wasserstellen überwachen und beseitigen."

Auch von Zeckenbissen gehe in Zukunft eine größere Gefahr aus. Neben Borreliose könnten diese in den kommenden Jahren auch gefährliche Hirnhautentzündungen übertragen, gegen die dann flächendeckend die Bevölkerung geimpft werden müsste. 

Psychische Krankheiten durch zunehmende Naturkatastrophen

Das alles sind Auswirkungen, die der Klimawandel auf unsere körperliche Gesundheit haben wird - oder auch schon hat. Aber er wird sich auch in unserer Psyche niederschlagen. Damit hat Krolewski 2019 erste Erfahrungen gemacht, als ein großer Waldbrand in der Region ausbrach. 

"Es war ein Szenario wie in Kalifornien oder Australien für die Feuerwehrleute, die teilweise in Todesangst hatten, als sie von den Flammen eingeschlossen waren."

Immer häufiger werden Ärzte sich traumatisierten Patienten gegenüber sehen, die in Hochwassern oder Waldbränden alles verloren haben, was sie besitzen. Die aufgrund ihrer Traumata an Bluthochdruck oder Diabetes erkranken. Selbst das Risiko eines Herzinfarkts ist nach solchen Ereignissen erhöht. 

"Ein solches Extremwetterereignis ist immer auch eine Gesundheitskatastrophe." 

All das sind düstere Aussichten und sie veranschaulichen, mit welcher Heftigkeit und Unausweichlichkeit der Klimawandel schon jetzt unsere Gesundheit beeinflusst.

Aber es gibt Hoffnung, wenn wir uns eine Sache bewusst machen, sagt der Arzt. Wir können etwas tun. Wir können unserem Körper helfen, mit den Folgen des Klimawandels klarzukommen. In dem wir Krankheiten wie Diabetes oder Bluthochdruck vermeiden. In dem wir gesünder leben. Mehr Fahrrad fahren, anstatt das Auto zu nehmen - mehr Gemüse und Obst essen statt Fleisch. Das alles stärkt unseren Körper - macht ihn anpassungsfähiger. Und nebenbei schützt es auch das Klima.

Autor: Nina Tenhaef

© RADIO NRW

Weitere Meldungen

skyline